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Plattform für Lernen und Lernstörungen

Ziele der Plattform

Ziel der Plattform ist es, den Bildungserfolg und das allgemeine Wohlbefinden von Personen mit Lernstörungen - angefangen bei Kindern über Jugendliche bis hin zu Erwachsenen - zu verbessern. Dazu gehört die Erforschung der Grundlagen von Lernstörungen und ihren Begleiterscheinungen ebenso wie die Entwicklung und Evaluation neuer Screenings, Therapie- und Unterstützungsmassnahmen. Die Plattform bietet umfassende Informationen und Materialien zu Dyskalkulie (Rechenstörung) sowie Dyslexie (Lese- und Rechtschreibstörung) für verschiedene Zielgruppen an: Kinder, Betroffene, Eltern, Lehrkräfte, Fachpersonen und Forschende. Darüber hinaus engagiert sie sich aktiv in Lehre, Forschung, Bildung sowie Öffentlichkeitsarbeit und pflegt enge Beziehungen zu Institutionen für Diagnostik und Therapie.

Die Gründerinnen der Plattform

Silvia Brem, Karin Kucian und Leonie Holste (v. l. n. r.)

Sie wollen mehr über die Hintergründe der Plattform für Lernen und Lernstörungen erfahren?

Die Plattform für Lernen und Lernstörungen wird seit Anfang 2024 im Rahmen des universitären Forschungsschwerpunktes "Plastische Hirnnetzwerke für Entwicklung und Lernen" entwickelt.

In folgendem Interview erfahren Sie mehr über die Entstehungsgeschichte der Plattform und über ihre Gründerinnen Prof. Dr. Silvia Brem und Dr. Karin Kucian.

Leonie Holste führte das Interview als wissenschafltiche Koordinatorin der Plattform am 13. August 2024 durch.

Fragen an Prof. Dr. sc. nat. Silvia Brem und PD Dr. sc. nat. Karin Kucian:

In welchen Forschungsbereichen und bei welchen Institutionen seid Ihr aktuell tätig?

Silvia: Ich arbeite an der Universität Zürich im Departement für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie des Universitätsspitals Zürich. Die Forschung meiner Arbeitsgruppe konzentriert sich darauf, wie sich neuronale Netzwerke bei Kindern und Jugendlichen durch das Lernen verändern und wie sie in der Entwicklung reifen. Dies schließt sowohl gesunde Personen als auch solche mit Entwicklungsstörungen und psychiatrischen Störungen mit ein.

Ein wesentlicher Teil unserer Arbeit widmet sich der Untersuchung, wie sich das Gehirn während des Prozesses des Leseerwerbs verändert, insbesondere bei Kindern mit typischer Leseentwicklung und solchen, die Schwierigkeiten beim Lesenlernen zeigen. Dazu gehört auch zu untersuchen wann und wie Betroffene am besten unterstützt werden können. Für unsere Forschung verwenden wir nicht-invasive, kinderfreundliche Bildgebungstechniken wie EEG und MRT sowie Verhaltenstestungen.

Karin: Ich bin am Universitäts-Kinderspital in Zürich tätig. In meiner Arbeitsgruppe mit dem Schwerpunkt Dyskalkulie beschäftige wir uns mit numerischer Kognition, Dyskalkulie und Mathematikangst.

Dabei untersuchen wir die neuronalen und verhaltensbezogenen Merkmale der numerischen Kognition und deren Entwicklung bei Kindern mit und ohne Dyskalkulie. Zudem interessiere ich mich für die negativen Auswirkungen geringer mathematischer Fähigkeiten und Mathematikangst auf Gesundheit und Wohlbefinden, was auch einen wichtigen Aspekt der Plattform darstellt. Wie Silvia arbeite auch ich mit verschiedenen bildgebenden Untersuchungsverfahren, wie MRT, um zu erforschen, was bei einer Lernstörung auf neuronaler Ebene passiert.

Silvia: Insgesamt haben wir sehr ähnliche Forschungsschwerpunkte nur eben im Bereich Dyslexie bzw. Dyskalkulie angesiedelt, was auch zur Entstehung der Plattform für Lernen und Lernstörungen beigetragen hat.

Wie kam es zu der Entwicklung der Plattform für Lernen und Lernstörungen?

Karin: Durch unsere Forschungstätigkeit wird uns täglich auch die Praxisrelevanz unserer Themenfelder aufgezeigt und bei uns wuchs schon früh der Wunsch, eine Brücke in die Praxis zu schlagen. Bezüglich Lernstörungen existiert ein grosser Bedarf nach mehr Wissen bei Betroffenen und anderen Zielgruppen wie Eltern und Lehrkräften, welche wir mit der Plattform ansprechen wollen.

Insgesamt ist es ein Herzensthema für uns. Am Kinderspital haben wir bereits seit einigen Jahren daran gearbeitet, Informationen zur Verfügung zu stellen. Die Erfahrung zeigt jedoch, dass Betroffene mit Dyskalkulie oft auch mit anderen Themen konfrontiert sind und zu anhaltenden Schwierigkeiten im mathematischen Bereich kommen Komobiditäten wie ADHS und eben auch Dyslexie hinzu. Hier kam der Wunsch auf, unsere Expertisen zu bündeln und wir haben länger nach einem Weg gesucht dies zu realisieren. Durch AdaBD haben wir nun die Chance, die Plattform zu erstellen und unsere Ziele der Verknüpfung optimal umzusetzen.

Silvia: Wir kennen uns seit dem Studium an der ETH und haben bereits vor Beginn unserer Promotionen begonnen, Ideen zu unserer Forschung über Dyskalkulie und Dyslexie auszutauschen. Schon lange hegen wir den Wunsch, unsere Forschungsgebiete besser zu vernetzen, unser Wissen zu bündeln und gemeinsame Projekte zu starten. Mit dieser Plattform können wir nicht nur unsere Forschungsinteressen gemeinsam und intensiv weiterverfolgen sowie Synergien nutzen, sondern uns auch verstärkt in den Bereichen Öffentlichkeitsarbeit, Lehre und Beratung engagieren, die uns stets besonders am Herzen lagen.

Die Plattform bietet eine einzigartige Gelegenheit, unsere beiden international anerkannten Forschungsgruppen und Institutionen besser zu verknüpfen! Wir möchten diese Zusammenarbeit nutzen, um unser Wissen zu bündeln und gemeinsam die Forschung zu Lernstörungen voranzubringen.

Karin: Wir beide fühlen durch unsere Forschung eine Verpflichtung, das Wissen, welches so relevant für die Praxis ist, an die Zielgruppen weitergeben und nutzbar zu machen.

Silvia: Wir haben das Gefühl, dass oft ein Mangel an Wissen darüber besteht, was es bedeutet, eine Lernstörung zu haben, diese anzuerkennen und wie man die betroffenen Kinder unterstützen kann. Noch heute gibt es Fälle, in denen bereits anerkannte Störungsbilder kleingeredet und als vorübergehende Erscheinungen abgetan werden. Um dies zu vermeiden und die psychische Situation der Betroffenen zu verbessern, ist Aufklärung notwendig. Zudem ist interdisziplinäre Zusammenarbeit in diesem Bereich von enormer Bedeutung. Die Herausforderungen, die wir angehen, können nur bewältigt werden, indem verschiedene Disziplinen wie Erziehungswissenschaften, Pädagogik, Psychologie, Biologie, Medizin und weitere zusammenarbeiten. Durch diesen kooperativen Ansatz wird unser Verständnis von Lernen, Lernstörungen und Komorbiditäten wirklich voranschreiten.

Karin: Die Benennung der Plattform „Lernen und Lernstörungen“ zeigt auf, dass nicht ausschliesslich Dyskalkulie und Dyslexie in unserem Projekt thematisiert werden, sondern eine Bandbreite an Störungsbildern, die Lernen behindern können, mit berücksichtig werden.

Was sind die Ziele und Visionen für die Zukunft der Plattform?

Karin: Die Plattform verfolgt das Ziel das Bewusstsein und Wissen zu Lernstörungen zu erhöhen, um betroffene Personen bestmöglich in Schule und Alltag unterstützen zu können. Ein Ziel ist es, die Forschung zum Thema Lernen und Lernstörungen zu koordinieren, harmonisieren sowie Kollaborationen mit verschiedenen Institutionen zu fördern und ein Netzwerk aufzubauen.

Die Plattform soll auch eine Beratungsstelle und eine zentrale Anlaufstelle für verschiedene Zielgruppen sein und Unterstützung bieten. Andere Institutionen wie Schulen, Diagnose- oder Therapieeinrichtungen, die bereits zum Thema Lernstörungen arbeiten haben häufig einen Bedarf an Beratung in diesem Bereich und viele offene Fragen und Unsicherheiten. Wir möchten hier ein Angebot schaffen.

Silvia: Unsere Leitfrage ist, wie wir Kinder, Familien, Lehrer und Therapeuten am besten dabei unterstützen können, Lernstörungen effektiv zu begegnen. Dazu sind sowohl grundlegende als auch angewandte Forschung unerlässlich, ebenso wie die Einbeziehung verschiedener Akteure – von den betroffenen Personen bis hin zu politischen Entscheidungsträgern und den Ausbildungsinstitutionen. Wir streben an, in der Schweiz eine Plattform zu etablieren, die zuverlässige, wissenschaftlich fundierte Informationen zu Lernstörungen bietet. Darüber hinaus möchten wir die Zusammenarbeit fördern, indem wir Wissen über verschiedene Fachgebiete hinweg austauschen und uns mit betroffenen Personen, Forschern, politischen Entscheidungsträgern und internationalen Netzwerken, die sich mit Lernstörungen befassen, vernetzen.

Karin: Aktuell befinden wir uns noch am Anfang des Projektes und starten zunächst mit einer Auswahl an Bildungsmaterialien für die verschiedenen Interessensgruppen. Mittelfristig möchten wir auch Fortbildungsangebote zur Verfügung stellen und Forschungsdaten für interdisziplinäre Forschungsprojekte nutzbar machen.

Was ist Euch besonders wichtig beim Thema Lernstörungen?

Silvia: Ein wichtiger Punkt ist die Entstigmatisierung und die Anerkennung, dass viele Menschen von einer Lernstörung betroffen sind. Lernstörungen begleiten oft ein Leben lang und eine gelungene Früherkennung und frühe Unterstützung betroffener Kinder kann helfen, weitergehenden Problemen vorzubeugen. Mit passender Unterstützung und Förderung kann ein guter Umgang mit Lernstörungen gelingen.

Karin: In diesem Sinne ist es unabdingbar, das Bewusstsein und Wissen zu Lernstörungen zu erhöhen. Ich habe das Gefühl, dass viele Vorurteile und Stigmatisierung durch zu wenig Wissen entstehen und bestehen bleiben.

Ich fände es toll, Wissen zum Thema Lernstörungen vermehrt auch in die Ausbildung von Lehrkräften zu priorisieren und zu ergänzen, da sie direkten Einfluss haben und für Familien oft die erste Anlaufstelle sind. Aber auch nach einer Diagnose müssen die Perspektiven für Betroffene verbessert werden: Es braucht mehr Therapieangebote und ausgebildetes Fachpersonal für die Unterstützung der betroffenen Kinder.