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Lernstörungen stellen eine Herausforderung für viele Kinder, Jugendliche und Erwachsene dar. Sie beeinträchtigen nicht nur den schulischen Erfolg, sondern oft auch das Selbstwertgefühl.
Eine gezielte Abklärung kann helfen, Lernschwierigkeiten besser zu verstehen und den Betroffenen individuell angepasste Unterstützung zu bieten.
Zudem kann eine klare Diagnose und Benennung der Schwierigkeiten für eine psychische Entlastung sorgen. Negative Zuschreibungen wie „ich bin zu faul“ oder „ich bin zu dumm“ können so aufgehoben werden!
In diesem Artikel erläutern wir, wie eine Abklärung abläuft, wann sie sinnvoll ist und welche Schritte danach folgen.
Generell gibt es drei Hauptgruppen von Personen, die eine Abklärung ihrer Lernstörung benötigen:
1. Früh auffällige Kinder: Diese Kinder zeigen bereits in der frühen Primarschulzeit Schwierigkeiten beim Erlernen von Lesen, Schreiben und/oder Rechnen. Trotz intensivem Üben gelingt es ihnen nicht, ihre Schwierigkeiten zu Überwinden. Diese Kinder werden oft schon in der 2. oder 3. Klasse zur Abklärung angemeldet, weil ihre Schwierigkeiten deutlich sichtbar sind und die Betroffenen im Alltag belasten.
2. Spät auffällige Kinder, Jugendliche und Erwachsene: Manche Menschen schaffen es, durch mühsame Kompensationsstrategien die Anforderungen der Primarschule und darüber hinaus zu bewältigen. Sie arbeiten besonders langsam und sorgfältig oder erhalten gezielte Förderung in den betroffenen Bereichen. Diese Strategien reichen jedoch in der Sekundarschule oder später oft nicht mehr aus, da dort das Arbeitstempo steigt und die Lerninhalte umfangreicher werden.
Besonders bei begabten Menschen fallen Lernstörungen oft erst spät auf, da ihre Leistungen in anderen Bereichen gut sind und die Probleme daher relativ verborgen bleiben bzw. verdeckt werden. Die Schwierigkeiten in den grundlegenden Fertigkeiten bleiben jedoch bestehen und sorgen zunehmend für Belastungen.
3. Kinder und Jugendliche mit bereits diagnostizierter Lernstörung: Diese Kinder wurden bereits während der Primarschule mit Dyslexie und/oder Dyskalkulie diagnostiziert und müssen vor dem Übergang in die Sekundarschule oder Berufsschule erneut abgeklärt werden, um weiterhin den Nachteilsausgleich zu erhalten.
Eine Abklärung sollte erfolgen, wenn trotz zusätzlicher Unterstützung ausgeprägte Schwierigkeiten bzw. deutliche Anzeichen einer Lernstörung vorliegen.
Typischerweise werden Abklärungen ab der 2. Klasse durchgeführt und die meisten Diagnostikverfahren sind für diese Altersklasse geeignet. Allgemein gilt: Wenn trotz großen Anstrengungen Fortschritte ausbleiben oder die schulische Belastung immer stärker wird, ist eine professionelle Abklärung ratsam.
Frühe Symptome einer Lernstörung können sein:
Bei Dyslexie:
Bei Dyskalkulie:
Wichtig: Lernstörungen wachsen sich nicht aus, sondern bestehen dauerhaft. Eine möglichst frühe Abklärung der Schwierigkeiten kann zusätzliche psychische Belastungen vermeiden und ermöglichen eine individuelle Unterstützung und Förderung.
Tipp: Ein Projekt der Universität Innsbruck bietet für Studierende online eine kostenlose und unverbindliche Ersteinschätzung für spezifische Lernstörungen an. Diese kann für Jugendliche und Erwachsene ein erster Anhaltspunkt sein, ob eine Abklärung notwendig sein könnte.
Die Abklärung einer Lernstörung besteht aus mehreren Schritten und Terminen. Der Ablauf umfasst in der Regel:
1. Anamnesegespräch: Hier sprechen die Fachkräfte mit den Eltern und dem Kind bzw. mit der erwachsenen Person über die bisherigen Schwierigkeiten. Es wird detailliert untersucht, seit wann die Probleme bestehen, welche Fördermaßnahmen bereits erfolgten und wie die Schule auf die Schwierigkeiten reagiert hat. Auch die familiäre Situation und der schulische Hintergrund spielen eine Rolle.
2. Testpsychologische Untersuchungen: Mit verschiedenen Tests werden die Fähigkeiten der betroffenen Person überprüft. Hierbei werden unterschiedliche Aufgabentypen verwendet:
Zusätzlich werden allgemeine kognitive Fähigkeiten untersucht, um mögliche Diskrepanzen zwischen der allgemeinen Intelligenz und der betroffenen Bereiche festzustellen.
Die Verfahren werden standardisiert durchführt und die Auswertung der Ergebnisse von einer Fachperson durchgeführt. Die Ergebnisse werden im Anschluss gemeinsam besprochen.
3. Fragebogendiagnostik: Eltern und Lehrkräfte füllen Fragebögen aus, um Verhaltensauffälligkeiten und die Entwicklung des Kindes genauer zu beleuchten.
4. Ausschluss anderer Ursachen: Um sicherzugehen, dass die Schwierigkeiten nicht durch Seh- oder Hörstörungen oder unzureichende Beschulung verursacht werden, werden diese Faktoren ebenfalls überprüft. Auch Auffälligkeiten in der frühkindlichen Entwicklung oder neurologische Störungen können eine Rolle spielen.
Wenn die Abklärung ergibt, dass eine Dyslexie und/oder eine Dyskalkulie vorliegt, gibt es mehrere wichtige Schritte:
1. Aufklärung: Eine klare Diagnose kann für Eltern, Kinder und erwachsene Betroffene sehr entlastend sein. Sie bringt Licht in die Situation und hilft, Missverständnisse und Schuldzuweisungen (wie Faulheit oder Unwillen) aufzulösen. Es ist wichtig, dem Kind zu erklären, dass es trotz der Lernstörung keineswegs „dumm“ ist, sondern eine spezifische Teilleistungsstörung hat, die gezielt unterstützt werden kann.
2. Nachteilsausgleich: Kinder mit einer diagnostizierten Lernstörung haben in der Regel Anspruch auf einen Nachteilsausgleich in der Schule. Das bedeutet, dass Maßnahmen ergriffen werden, um die Nachteile beim Lernen und in Prüfungen zu verringern. Dies könnte zum Beispiel eine Verlängerung der Prüfungszeit oder eine eingeschränkte Bewertung der betroffenen Bereiche sein. Der Nachteilsausgleich soll verhindern, dass das Kind dauerhaft schulischen Misserfolg erlebt, und seine Motivation erhalten.
3. Gezielte Förderung: Neben schulischen Anpassungen ist eine gezielte Förderung der betroffenen Fähigkeiten unerlässlich. Diese kann sowohl in der Schule (z.B. durch Logopädie) als auch außerhalb durch spezialisierte Fachkräfte (z.B. Dyskalkulietherapie) erfolgen. Ein regelmäßiges Training, das auf die individuellen Schwächen eingeht, hilft dabei, langfristige Fortschritte zu erzielen.
4. Unterstützung zuhause: Eltern können eine entscheidende Rolle im Lernprozess spielen. Regelmäßiges Üben ist wichtig, doch dies ist oft mit großen Herausforderungen verbunden, da die betroffenen Kinder durch das ständige Konfrontieren mit ihren Schwächen leicht frustriert werden. Es ist daher sinnvoll, kleine Erfolge zu belohnen und das Kind für seine Anstrengungen zu loben. Hier können spezielle Lernmaterialien oder Apps zur Unterstützung eingesetzt werden.
Eine frühzeitige Erkennung und intensive individuelle Förderung sind entscheidend, um langfristige Fortschritte zu erzielen. Es ist ebenso wichtig, dass Kinder weiterhin Freude an ihren Hobbys wie Sport oder Musik haben, damit sie auch außerhalb der Schule Erfolgserlebnisse erfahren können. So bleibt ihre Motivation hoch und ihr Selbstwertgefühl intakt.
Eltern und Lehrkräfte sollten sich bewusst machen, dass Kinder mit Lernstörungen besondere Unterstützung brauchen – nicht nur im Lernen, sondern auch emotional. Ein einfühlsamer Umgang mit ihren Schwierigkeiten und eine gute Zusammenarbeit zwischen Schule, Elternhaus und Fachkräften können wesentlich dazu beitragen, dass diese Kinder ihr Potenzial voll ausschöpfen können!